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Ich war dann auch mal weg...

27. Februar 2014, von «Torben Schmidt»

Torben versus Jacobsweg - ein Kampf über 23 Runden. Nachdem ich das Buch von Harpe Kerkeling gelesen hatte, war mir klar: Das mach ich auch! 800 Kilometer zu Fuss durch Spanien, das schien mir genau der Irrsinn zu sein, den ich brauchte.

Foto: Ugursay Er / pixelio.de

Fast den gesamten Jahresurlaub verplempern, Schmerzen ohne Ende und viel Geld dafür ausgeben; warum nicht?

Also, gesagt getan. Ich nahm mir Urlaub, buchte den Hinflug und bestellte einen Reiseführer. Das sollte auch an Vorbereitung reichen, dachte ich. Eventuell hätte ich noch Gedanken an meine Schuhe verschwenden sollen... die Quittung dafür kam später.

Am 5. März 2007 ist es dann endlich soweit. Ich stehe in Saint-Jean-Pied-de-Port, dem klassischen Startpunkt des "Camino" (spanisch für "Weg") am Fuss der Pyrenäen. Trotz des Nieselregens bin ich hoch motiviert, den Gebirgspass heute zu bezwingen. Meine anfänglichen utopischen Vorstellungen von 50 km pro Tag sollten sich zügig verflüchtigen. Nach einer Stunde Aufstieg begegne ich meinem ersten Weggefährten, einem Esten. Wir haben viel Spass, unterhalten uns gut. Nach einem steilen Abstieg und 27 Kilometer von Saint-Jean-Pied-de-Port entfernt hat sich mein Ehrgeiz endgültig in blutigen Realismus gewandelt. Meine Füsse sind (nicht zuletzt dank meiner normalen Strassenschuhe) zu blasenverquollenen, blutverschmierten Klumpen mutiert und meine Raucherlunge lässt meinen Atem wie den eines Asthmakranken rasseln. In den nächsten Tagen bewirkt die lustige Kombination aus Regen und Lehmbergen, dass ich kurz davor stehe, abzubrechen und nach Hause zu fahren.

Der Wahnsinn zwingt mich noch weiter! Meine Weggefährten wechseln so oft, wie ich meine Unterwäsche - so alle zwei bis drei Tage. Langsam bin ich so weit, dass ich die abwechslungsreiche und schöne Landschaft zu geniessen beginne. Außerdem frage ich mich nach dem Sinn dieses Weges. Obwohl ich nicht aus religiösen Gründen pilgere, hatte ich mir doch die Beantwortung von einigen Fragen versprochen, wenn man schon den ganzen Tag läuft und sonst nichts vorhat außer Denken. Falsch geglaubt ! Der Kopf ist leer, ich denke an nichts. Wenn ich allein zu sein glaube, führe ich Selbstgespräche oder singe ein paar Lieder, die mir grad so einfallen ("Dieser Weg wird kein leichter sein" oder "How many roads").

Auf einmal werde ich krank. Durchfall, Erbrechen und so weiter. Vielleicht habe ich was Falsches gegessen oder es liegt an diesem chlorversetzten Wasser, das man hier überall kriegt. Ich muss trotzdem weiter. Nach drei Tagen komme ich in eine von Buddhisten geführte Herberge und werde von den Mönchen mit Wundermedizin in zehn Minuten geheilt. Einfach unglaublich !

Es sind jetzt noch 160 Kilometer bis nach Santiago, ich habe wieder neue Hoffnung. Noch einmal über irgendwelche Berge rüber, teilweise hüfthoch Schnee. Am vorletzten Tag will ich´s nochmal wissen und erbringe meine persönliche Höchstleistung von 55 Kilometern. Die restlichen 42 Kilometer am nächsten Tag sind ein Spaziergang. Mit untergehender Sonne erreiche ich die Kathedrale von Santiago de Compostela. Was für ein Moment ! - Ein schrecklich enttäuschender, denn irgendwie habe ich ein Wunder erwartet. Man läuft 800 Kilometer auf ein Ziel zu und redet sich ein, dass das Ankommen der glücklichste emotionale Höhepunkt sein wird. Aber der Apostel Jacob hat sich leider nicht aus seinem Grab erhoben, um mich zu begrüssen, und ich bin nicht vor Glück in Tränen ausgebrochen. Ich habe mich mindestens dreimal in Santiago verlaufen und musste seit zwei Stunden dringend aufs Klo. Trotzdem, es war eine gewaltige Erfahrung und ich habe viele interessante Menschen getroffen. Ausserdem bleibt die Gewissheit, dass ich das Durchhaltevermögen für schwierige Aufgaben besitze. Trotz aller Strapazen bereue ich nichts! Falls jemand Lust bekommen haben sollte, wünsche ich einen "Buen Camino"!

 

Torben Schmidt

 

 

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